Freitag, 4. März 2016

Porsches Puristen Problem


Es gibt heute genau zwei Autos, die mit Heckmotoren verkauft werden. Der Smart Fortwo und der Porsche 911.

Beim Smart liegt der Grund darin, dass die Motoren hinten leichter zu verbauen sind, als über die Lenkachse, da bei so einem kleinen Auto dafür schlichtweg der Raum fehlt. Außerdem werden die antreibenden Räder durch den Motor auf die Straße gedrückt, ohne, dass sie sich auch um die Lenkung des Fahrzeugs kümmern müssen, was hilft, wenn man diesen einen Parkplatz dringend schnell erhaschen muss. Bei Porsche ist der Grund gar nicht mal so anders.

Platz ist das Schlüsselwort, denn als der erste 911 entworfen wurde, war sich Ferdinand Porsche sehr bewusst was er tut; schon Adolf Rosenberger, seinerseits Designdirektor bei Porsche und Rennfahrer für die Silberpfeile in den 20ern, überzeugte Ferdinand davon, den Motor direkt über der Hinterachse, also in Mittelmotorkonfiguration, zu haben und den Benzintank davor, also genau vor der Fahrerkabine, um die Gewichtsverteilung zu jeder Zeit gleich zu halten.

Und während man zu Beginn keinen Unterschied merken würde, da andere Renn- und Sportwagen zu der Zeit den schweren Motor vorn und den vollen Tank hinten hatten, verschlechterte sich das Fahrverhalten dieser Fahrzeuge, je leerer der Tank wurde, so seine Begründung. Genau aus diesem Grund sind, von Formel 1 über Le Mans Prototypen bis hin zu Ferraris und Lamborghinis auf der Straße, alles Mittelmotorarchitekturen.

Der Grund, warum Porsche den Motor nach hinten verlegte, war Platz. Wenn der Motor direkt über der Hinterachse wäre, gäbe es keinen Platz für eine Rückbankette. Der 911 sollte alles andere, als ein reinrassiger Sportwagen werden. Weshalb man jetzt genau darauf verzichtet hat, den Motor nach vorn zu tun, weiß ich nicht. Wahrscheinlich, weil ein RR (Rear engine, rear wheel drive) Setup näher an einen MR heran kommt, welches als Idealnorm gilt.

Vielleicht lag es auch daran, dass Kühlung durch Flüssigkeiten noch recht neu für Porsche/Volkswagen war, und man durch den 356 sowie den Käfer und den Bulli bereits auf viel Motoren Know-How zurückgreifen konnte, was Entwicklungskosten eingrenzte. Heckmotoren eignen sich besser für Luftkühlungen, da sich hinter dem Fahrzeug druckarme Luft befindet. Der 356, welchen der 911 ablösen sollte, war ebenfalls ein RR.

Das Problem mit heckgetriebenen, heckmotorisierten Fahrzeugen ist, dass das Heck die Welt und die Front überhaupt nichts wiegt. Das macht den Wagen zwar für Beschleunigung gut, sorgt jedoch für große Instabilität in Kurven und vor allem beim Anbremsen, da der Wagen aufgrund des schweren Hecks zum Übersteuern neigt und das noch mehr, als ein Mittelmotorsportwagen. Übersteuern ist beim herausbeschleunigen zwar kontrollierbar und sogar eher gewünscht, als untersteuern, jedoch nicht beim abbremsen.

Jedenfalls war das halt das und die Welt in Ordnung, bis irgendwelche Hooligans das gute Stück für Motorsporteinsätze präpariert haben und herausfanden, dass die 911er sehr fähige Rennwagen waren, da der 6-Zylinder Motor im Heck ein Boxer ist und der Wagen aufgrund seiner Motorposition unglaublich gut beschleunigt. Parallel dazu gab es ein Problem mit dem Namen, denn ursprünglich sollte der Wagen 901 heißen (was er Firmenintern auch noch lange tat).

Peugeot hatte sich in Frankreich alle nummern mit einer 0 in der Mitte sichern lassen. Und statt den Wagen mit einem anderen Namen in Frankreich zu verkaufen, nannte man das Modell einfach überall um; von 901 zu 911. Gepaart mit der Tatsache, dass der Wagen aufgrund seiner weit vor reichenden Windschutzscheibe (da kein Motor vorne) eine unglaublich distinktive Form bekam, wurde der Porsche 911 zu einem Phänomen.

Was also tun. Würde man den Motor mittig verlegen, läuft man Gefahr an, Käufer zu verscheuchen, die den Wagen gerade wegen seiner Einzigartigkeit kaufen. Nun kommen aber Firmen wie Jaguar mit ihrem E-Type daher und machen einem den Markt für schnelle 2+2 (also Fahrzeugen mit Notfallsitzen hinten) strittig. Porsche konnte nicht anders, als viel Zeit und Geld darin zu investieren, den Heckmotor, trotz seiner Imperfektion und der Tatsache, dass der 911 aus praktischen statt sportlichen Zwecken heckmotorisiert war, zu perfektionieren.

Einen Mittelmotorsportwagen anzufertigen, wäre aber auch gefährlich, weil man damit die "Marke 911" gefährden und sich damit ins eigene Fleisch schneiden könnte. Denn Porsche-Kunden, spezifischer; Fahrer von 911ern, sind solche Menschen, die darauf bestehen, dass der 911 zwar mit dem Besten aus Großbritannien und Italien mithalten können soll, aber wehe der Wagen verliert etwas von seinem Charakter.

Die Aufruhr war beispielsweise groß, als die letzte Generation des 911 (991) etwa elektronische Servolenkung erhielt. Etwas, was notwendig ist, um konkurrenzfähig zu Marken wie Lamborghini oder Maserati zu bleiben, aber den Wagen in den Augen von Porsche Enthusiasten da stehen ließ, wie "das Werk des Teufels", wie es Autojournalist James May beschreibt. Also kann Porsche weder einen 911 mit Mittelmotor präsentieren, noch einen Mittelmotor bauen, der den 911 schlägt.

Was 1996 passierte, war zugleich überraschend als auch unumgänglich. Egal, ob die Welt nun dafür fertig war oder nicht, Porsche verkaufte seinen ersten Mittelmotorsportwagen, den Porsche Boxster. Natürlich waren die Zuffenhausener extreeeeem Vorsichtig damit, weshalb sie den Wagen garnicht erst als potentes Coupé, sondern als "eingeschränkten" Roadster präsentierten. Und auch, wenn die Technik in dem Wagen unglaublich fortgeschritten war, hatte er ein großes Problem.

Porsche traute sich nicht, dem Wagen mehr als 147 PS zu geben, was bedeutete, dass jeder Golf GTI ihn auf der Autobahn Staub schlucken ließ. Und weil Deutschland die retardierteste und benebeltste Autoszene der Welt besitzt, wurde der Wagen nur Müde vom "Zahlen-auf-dem-Papier-sind-alles"-Mob belächelt und erhielt gleich deshalb dumme Spitznamen wie "Frauenauto". Aber das hielt die Presse nicht ab, den Wagen für seine Brillianz zu loben.

Das eine führte zum anderen und auf den Verkaufsschlager Boxster folgte der Cayman, eine Coupé-Variante. Als Cayman S und später Cayman R lehrte der Wagen anderen Autos mit teils viel höheren Preisen und größeren Motoren das fürchten. Und doch - dass das passierte, war zwar ein logischer Schritt aber alles andere als selbstverständlich von Porsche. Und das Feuer von (unparteiischen) Sportwagenfans brannte immer heißer.

Verschwörungstheoretiker waren sich sicher: Irgendwo in Porsches Keller ist ein Mittelmotor-911 der so schnell ist, dass er auf der Nordschleife die Gesetze der Physik bricht und das Gesicht des Fahrers zerreißt. Aber es darf ihn nicht geben, er ist verboten. Verbannt von der Welt der Sportwagen und verdammt dazu, nichts weiter zu sein, als ein feuchter Traum über den man nachdenken kann, während man in seinem Boxster von B1-Brudas ausgelacht wird.

Neunzehn lange Jahre nach dem Boxster passierte es. Das Feuer brannte die Säulen der Tore nieder. Wir bekamen zwar keinen Mittelmotor-911, aber so ziemlich das Nächste, dass man einem solchen Auto kommen kann: Den Porsche Cayman GT4.

Das Chassis stammt fast vollständig vom 911 GT3 ab, genau wie die gesamte Lenkvorrichtung, Aufhängung und praktisch die gesamte Fahrzeugfront. Die Sitze sind nicht-anpassbar um Gewicht und Schwerpunkt niedrig zu halten und stammen von nichts geringerem, als dem 918 Spyder, genau wie das ultra präzise Lenkrad. Diesmal an der richtigen Position befindet sich nicht der übliche Cayman Motor, sondern der 385 PS 3,8 Liter Boxer-6 aus dem 911 Carrera S.

Das Endresultat schlug bei Motor Trend auf Willow Springs von der Corvette C7 Z06 über den Audi R8 V10 bis hin zum Ferrari 458 Italia alles, was ihm über den Weg lief. Und wäre die Übersetzung etwas kürzer und die Front etwas straffer, würde der Wagen statt 4,1 Sekunden nur etwa 3,5 Sekunden brauchen, um von 0-100 zu beschleunigen und würde damit jeden 911 bis auf den GT3 und GT2 schlagen sowie Untersteuern reduzieren und noch mehr Zeit auf der Strecke finden.

Porsche Puristen existieren noch und verlangen von Porsche nach wie vor, dass der 911 seinem Urvater aus den 60ern treu zu bleiben hat. Gleichzeitig sehen sie aber kein Problem darin, dass der Wagen seine Heckbank in Varianten wie dem GT3 verliert, wofür der Motor doch aber gerade hinter die Heckachse verlegt wurde. Man kann sich nur ausmalen, was passieren würde, wenn Porsche den 500 PS starken 4-Liter Motor aus dem GT3 RS in einen Cayman stopfen würde.

Oder noch besser, wenn Porsche einen 911 GT3 RS mit dem Motor in der Mitte bauen würde. Aber genau dass das nicht passiert, ist mein Problem mit Porsche und dem 911.

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