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Montag, 14. März 2016
Als sie auf dem Beifahrersitz einschlief
Es war Samstag Vormittag und ich saß im Bürger King an der Bundesstraße 1. Sippte an meiner Sprite, nachdem ich meine Portion Pommes und meinen Chicken Crispy Burger verdrückt habe. Zu meiner Rechten gewährte das große Fenster einen freien Blick auf den versteckten Parkplatz, der eigentlich gar nicht zu dem Fast Food Restaurant gehört, sondern zum Obi-Gartenparadies daneben. Auf dem Parkplatz stand mein roter Nissan, der in den letzten drei Monaten seinen Garagenplatz bewachte und heute endlich etwas Auslauf bekommen sollte. Aber nicht, bevor ich etwas gegessen habe.
Auf einmal vibriert das HTC in der Kunstlederhülle auf dem Tisch neben dem Plastiktablett. Es war eine Freundin aus Berlin. Sie schrieb mir bereits gegen fünf Uhr am Morgen, fragte, ob ich wach sei. Am Abend zuvor schaltete ich das Handy jedoch auf Stumm, ich schlief bis um acht oder neun. Sie hatte zuvor einen recht partyreichen Abend gehabt. Warum sie mich anrief, weiß ich nicht, aber gut. Nachdem ich aufstand, schrieb ich, ob alles in Ordnung sei, bevor ich die mir geliehenen Händlerkennzeichen einpackte und mit dem Suzuki Richtung Tiergarten zu meiner Tiefgarage aufbrach.
Nachdem die Fahrzeuge die Plätze miteinander tauschten und ich nun endlich wieder auf der rechten Seite saß, wollte ich raus aus der Stadt. Ich fuhr also die B1 hoch, tankte 40 Liter 102-Octan bei Aral, vergaß meinen 10€-Gutschein im Mittelfach und aß schließlich meinen Crispy Chicken, bevor sie schrieb, dass alles in Ordnung sei, und fragte, was ich mache. "Ich bin bei Burger King, Du?". Sie lag noch im Bett. Wir führten ein wenig small talk, bevor ich fragte, ob sie irgendwelche Pläne für heute hätte. "hab noch nichts geplant :) du?"
Sie wollte frühstücken, ich wollte fahren. Also ging es wieder zurück nach Berlin. Ich kann mit den Händlerkennzeichen natürlich nicht meine üblichen "20 drüber aus Prinzip" fahren, also cruise ich gemütlich auf der rechten Spur im fünften Gang bei knapp über 50 Kilometer pro Stunde. Der Wagen tat alles was man von ihm abverlangt so elegant, wie Giselle Bündchen auf einem Laufsteg. Vor allem im Vergleich zum Suzuki. Das Geschwindigkeitslimit erreicht er in wenigen Sekunden und bei minimaler Betätigung des Gaspedals. Dieses Zurücklehnen und den Wagen machen lassen ist reine Therapie für den Kopf.
Man unterschätzt, wie viel Stress es eigentlich ist, ständig ausrechnen zu müssen, wie weit das Momentum in einem untermotorisierten Auto wohl noch reicht und konstant das Gaspedal bis zur Matte treten zu müssen, um auch nur mit dem Verkehr mithalten zu können. Wenn man also halb-liegend in seinen Stoffsitzen ruht, während der nahezu perfekt von Außengeräuschen isolierte Wagen auf gemütlicher Art und Weise das Drehmoment dafür sorgen lässt, auf Verkehrsgeschwindigkeit zu kommen, statt arg durch die Gänge schalten zu müssen, während der Motor nach Gnade fleht und der Wind die schrankwandartige Aerodynamik penetriert, ist es wie Therapie für den Geist.
Der Kopf fühlt sich dabei an wie beim Haarewaschen beim Friseur. Das anfahren ist wie das einmassieren des Shampoos und das Schalten wie der Moment, wenn das perfekt gewärmte Wasser den Schaum abspült. Wenn man dann die 50 Kilometer pro Stunde erreicht hat, ist es, wie wenn die hübsche Friseuse fragt, ob die Temperatur in Ordnung ist, woraufhin man dann das Gaspedal hebt, gemütlich auf seiner Spur entlangsegelt und sagt "Ja, Perfekt". Das ist, ohne Übertreibung, das Gefühl das man hat, wenn man nach drei Monaten 1 Liter Drei-Zylinder mit 60 PS dann endlich wieder einen Tag in einem ordentlichen Auto verbringt.
"Warum bist du denn mit dem Nissan hier?" waren ihre ersten Worte, nachdem sie mich umarmte und nach meiner kleinen, blauen Box auf Rädern schaute, die normalerweise vor ihrer Tür steht, wenn ich vorbeikomme. "Ich mag den Suzuki irgendwie mehr", meinte sie beim Einsteigen. "Zu erst fandest du den Wagen hässlich", meinte ich zu ihr. "Ja, aber jetzt finde ich ihn niedlich. Er ist irgendwie nerdy, das mag ich", hieß es. "Außerdem ist der Suzuki gemütlicher", fügte sie hinzu. "Ist das dein Ernst?", fragte ich. "Im Nissan sitzt du viel gemütlicher. Du liegst in den Sitzen praktisch, wie in einem Chaiselongue".
"Außerdem ist der Nissan viel besser isoliert. Wir können uns hier viel besser unterhalten als im Suzuki". "Aber der Motor ist auch lauter". "Ha, das sagt dir dein Instinkt, weil der Wagen rot ist und einen Flügel hat. Aber tatsächlich läuft der Motor ruhiger". Gerade Anzahl an Zylinder, weniger Beanspruchung für den Motor, irgendwie schien sie relativ interessiert. "Ich hab Lust auf Spazierengehen oder irgendwo hinfahren", meinte sie. Hinfahren. Hmm, kommt sie etwa in den Geschmack? "Aber erstmal frühstücken", fügte sie hinzu. Also brachte ich sie zum Alexanderplatz, wo sie sich ihr Frühstück zusammenkaufte.
Ohne Navi oder ähnlichem, leitete mich mein Verstand instinktiv wieder Richtung B1. Ich fragte, wohin sie denn wollte, um Spazieren zu gehen. Sie meinte, dass wir erst mal ein wenig herumfahren können. Es sei sowieso kalt. Nachdem ich sie einmal kurz an den Sitz festkrallen ließ, weil ich über den Tag viel zu zivilisiert gefahren bin (und vor mir eine bekannte, überschaubare Straße lag, die sicher keine Blitzer beherbergte), meinte ich schließlich, dass ich, da es schon nach 13 Uhr war, die B1 einfach ein mal hoch bis nach Strausberg fahre, um dann auf dem Berliner Ring wieder Richtung Berlin-Zentrum zu fahren um den Wagen und die Kennzeichen mal zurückzubringen, wobei ich auch ein mal den Turbolader von Ablagerungen freibrenne.
Und während ich da mit den elektronisch abgeriegelten 180 km/h die Autobahn entlang düste, geschah etwas bemerkenswertes. Im bösen, roten Auto mit dem großen Flügel, dem gefährlichen und lauten Motor und den unbequemen Sitzen, schlief sie ein. Das weiß-graue Licht, dass durch die doch recht dichte Wolkenwand am Himmel kam, leuchtete über die flache Windschutzscheibe in die Kabine, ihre seidigen, dunklen Haare verdeckten halb ihr Gesicht, während sie sich mit ihrer rechten Seite an die Lehne schmiegte und träumte. Ich machte das Radio leiser und wechselte auf die rechte Spur, um sicher zu gehen, dass ich sie nicht wecke. Die straffe und doch angenehm weiche Aufhängung wandelte jeden Schlag in Hebungen und Senkungen und der niedrige Schwerpunkt hielt die Lateralkräfte selbst bei höheren Kurvengeschwindigkeiten bei der Autobahnausfahrt niedrig.
Wir durchquerten die Innenstadt und erreichten schließlich die Tiefgarage. Sie wachte erst auf, als ich auf die Zweite Senkung zum untersten Abteil fuhr. "Upsi, ich bin eingeschlafen", sagte sie. "Hast du die Kennzeichen schon abgemacht?" "Bleib ruhig noch sitzen", sagte ich. "Ich muss sie noch abmachen". Ich hielt vor dem Suzuki, parkte ihn raus, fuhr den Nissan zurück zu seinem üblichen Platz, klemmte die Kennzeichen ab, warf sie in den Suzuki, stieg wieder in den Nissan und steckte das Handy ab, dass noch am Aux-Anschluss steckte. "Zeit, aufzustehen".
Im Suzuki holte einen der Alltag wieder ein. Klar, er bringt einen verlässlich und günstig von A nach B. Er macht, wozu er gebaut wurde, und das macht er gut. Aber um mit dem Passat TDI vor einem mithalten zu können, muss man das Gaspedal fast konstant komplett durchtreten und ihn bis 4000 Umdrehungen pro Minute touren. Der Motor, der im Suzuki auch viel näher an der dünnbehäuteten Kabine arbeitet, als im Nissan, läuft durch die ungerade Zahl an Zylindern und dem geringen Hubraum, der dann eben mit der Frequenz an Explosionen für seine geringe Kapazität kompensiert, unruhig und laut. Der Wind haut gegen die nahezu rechtwinklige Windschutzscheibe und sie meint "hier kann man nicht so gut Schlafen". Aber das ist das Leben.
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