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Bild: IMSA |
Seit zwei Jahren herrscht Chaos in der nordamerikanischen Sportwagenwelt. Im Jahr 2013 lief die letzte Saison der American Le Mans Series (ALMS) aus, einer Sportwagenmeisterschaft, die vom technischen und vor allem sportlichen Reglement mit denen des 24 Stunden Rennens von Le Mans übereinstimmte. Nach 2014 kam es zu einer Fusion zwischen der rivalisierten Sportwagenmeisterschaft "Grand-Am" (organisiert von NASCAR) und der ALMS.
Die ALMS litt unter einer starken Unterbesetzung im LMP1 und LMP2-Feld. Während die Sportwagenszene in Europa noch an den Folgen der Gruppe C litt und bis auf das Rennen in Le Mans eigentlich irrelevant war, schickten die großen Hersteller wie Audi, Peugeot und Aston Martin ihre großen Le Mans Prototypen nach Amerika. Mit dem ab 2010 ausgeschriebenen Intercontinental Le Mans Cup (ILMC), einer Meisterschaft mit dem Rennen in Le Mans als Saisonhöhepunkt, feierte die europäische Szene langsam ihr Comeback.
2012 wurde der ILMC zum World Endurance Championship (WEC), der ersten offiziellen FIA Sportwagen-WM seit der Gruppe C. Mit dem Sportwagen-Abzug von allen Sportwagenherstellern außer Audi, verlor die ALMS all ihre Werksteams in der LMP1. 2012 fuhren lediglich die Privatiers "Mucle Milk Pickett Racing" mit einem HPD und "Dyson Racing" mit einem Lola-Mazda um die Gesamtsiege, wobei Muscle Milk IMMER überlegen war.
Lediglich in 2013 kam die schweizer Privatmannschaft Rebellion Racing aus der WEC zu Gastläufen der ALMS. Die Kämpfe zwischen Muscle Milk und Rebellion waren einpaar der besten der jüngeren Sportwagengeschichte. Die LMP1-Szene litt nicht nur in Amerika, denn der einzige Grund für Rebellions Gastrennen war, dass sie in der WEC das einzige Privatteam in der LMP1 geworden sind. Einzige Konkurrenten Pescarolo, JRM und Strakka, verließen die Meisterschaft allesamt aufgrund von Finanzierungsproblemen.
Der wohl einzige Grund, weshalb die LMP1 noch lebt, ist, weil Toyota im Jahr 2012 wieder nach Le Mans kam und den einzig verbliebenen Konkurrenten, Audi, herausforderte, nachdem Peugeot aufgrund von Verlusten im europäischen Fahrzeugmarkt die Sachen packte (obwohl ein Hybrid-LMP1 für 2012 bereits in der Testphase war). Jedenfalls sah es denkbar bitter für die LMP1 aus. Und als wäre die Situation so schon nicht schlimm genug, schrumpfte das LMP2-Feld ebenfalls.
Mit, ich glaube, zwei LMP2-Autos für die ALMS 2013, sah die Zukunft alles andere als rosig für die nordamerikanische Sportwagenmeisterschaft aus. Daher übernahm die NASCAR Organisation die Meisterschaft kurzerhand, ließ sie mit der eigenen Meisterschaft, der Grand-Am, fusionieren und kreierte damit praktisch DIE amerikanische Sportwagenmeisterschaft, die United Sportscar Championship (USCC).
Eine einheitliche Klassenstruktur war die größte Herausforderung bei dem Unterfangen. Die unterste Klasse sollte die "GTD" (Gran Turismo Daytona) darstellen, einem Zusammenschluss der "GT-Klasse" der Grand Am (bestehend aus verschiedensten GT und Cup Rennwagen) und der "GTC-Klasse" (Gran Turismo Challenge, eine Klasse für Porsche Cup Rennwagen) der ALMS. Die große GT-Klasse sollte die "GTLM-Klasse" (Gran Turismo Le Mans) werden, welche 1:1 aus der ALMS "GT-Klasse" übernommen wurde und aus Fahrzeugen des GTE-Reglements besteht.
Die Fahrzeuge der Prototype Challenge Klasse (PC) wurden ebenfalls aus der ALMS übernommen. So besaß man eine ähnliche Struktur wie in der WEC. Es gibt dann jeweils eine Profi und eine Amateur-Klasse in jeweils Prototypen und GTs. Aber welche Fahrzeuge sollen um den Gesamtsieg kämpfen? Daytona Prototypen aus der Grand-Am oder LMP2-Fahrzeuge aus der ALMS? Um zu erklären, wie extrem Schwierig diese Frage ist, muss ich erst einmal klären, was diese beiden Prototypen-Klassen ausmacht.
Daytona-Prototypen sind praktisch Stock Cars mit schicken Kleidern. Entstanden in 2003, sollten sie eine kostengünstige, amerikanische Variante vom Prototypen-Sport werden. Praktisch ein Bastard von Le Mans und Daytona. Kohlefaser oder Vergleichbares war verbannt, um die Kosten niedrig zu halten. Die Fahrzeuge waren per Reglement so kurz zu halten, dass Aerodynamik keinen großen Faktor bei der Performance spielte.
Le Mans Prototypen 2 (LMP2) hingegen, entstanden in Europa, um kleinen Teams eine Chance zu geben, in den Sportwagenmeisterschaften um Siege zu Fahren, ohne gegen die großen Werke kämpfen zu müssen. Das technische Reglement hatte viele Parralelen mit denen der LMP1, war jedoch Budgetgebunden; heißt der LMP2-Einsatz darf nur eine bestimmte Summe an Geld kosten.
Die LMP2 waren den DP weit überlegen, sie verfügten über ausgefeilte Aerodynamik, während die DPs sogar absichtlich nach Reglement abgestumpfte Aero trugen, um in Daytona nicht zu schnell zu werden. Gepaart mit Carbonbremsen und modernster Technik unter der Haube war klar, welche Kategorie der anderen überlegen ist. Aber hier treffen zwei Rivalen aufeinander. Man kann der anderen Meisterschaft nicht einfach die Überlegenheit zugestehen, das wäre eine Niederlage gegen die eigene Ideologie.
Außerdem ist die DP-Klasse deutlich besser aufgestellt, als die LMP2-Klasse. Es wäre nicht schlau, den ganzen DP-Teams einfach eine Abfuhr zu erteilen. Was man also tat, ist die Daytona Prototypen mit stärkeren Motoren auszustatten, sie länger zu machen um etwas Aerodynamikspielraum zu schaffen, Carbonbremsen einzuführen und die LMP2s über Luftmengenretriktoren, Stahlbremsen sowie einer Pflicht, das Low-Downforce-Paket für Le Mans für alle Rennen zu verwenden, einzubremsen.
Die Prototypen sollten so aneinander angeglichen werden. Dass das Chaos bedeutete, war den Verantwortlichen klar. Aber es sollte nur für drei Jahre sein, denn 2017 sollte eine neue Prototypenklasse sowohl Daytona Prototypen als auch LMP2 in der führenden Top-Kategorie der USCC ersetzen. Es war schmerzhaft, einen DP in Sebring siegen zu sehen, aber entgegen der Erwartungen vieler, waren die beiden Prototypenklassen bereits 2015 aneinander angeglichen und die Kämpfe interessant. Die neuen Prototypen würden sich dann das technische Reglement mit der neuen LMP2 ab 2017 teilen, damit sie in Le Mans antreten können.
Fassen wir also zusammen. ALMS und Grand-Am werden zur USCC. Die GTD-Klasse wurde immer beliebter, vor allem nachdem GT3-Fahrzeuge zugelassen wurden (dieses Jahr fuhr Frikadelli Racing in Daytona mit, das Team mit Sabine Schmitz das normalerweise nicht den Nürburgring verlässt). In der GTLM-Klasse wurde der sensationelle Kampf der Hersteller aus der ALMS fortgesetzt und steht der GT-Pro-Klasse der WEC in nichts nach. Die Prototype Challenge war nachwievor Amerikas einfachster Einstieg in den Prototypensport.
Und die "Prototypes", die Top-Kategorie der USCC, bestand aus aneinander angeglichenen Äpfel und Birnen, was jedoch irgendwann einfach anfing zu funktionieren. Dazu kommt, dass die International Motor Sport Association (IMSA) das ganze reguliert, in Kontakt mit dem ACO (Automobile Club l'Ouest, Le Mans Veranstalter) steht. Das heißt die Sieger der entsprechenden Klassen erhielten eine Einladung zum 24 Stunden Rennen von Le Mans, dem größten Rennen der Welt. Alles scheint schön in der Ehe zwischen ACO und IMSA.
Aber dann holt einen die Realität wieder ein. Und diese sieht so aus, dass die IMSA Werksteams in einer Klasse antreten lassen will, welche für Privatiers ausgelegt ist und ab 2017 in der WEC sogar nur aus einer Hand voll Motoren und Chassis wählen können soll. Der ACO will einheitliche Privatiers (der Kampf der Werke findet immerhin in der LMP1 statt) während die IMSA in ihrer Top-Kategorie natürlich verschiedene high-budget Herstellerkämpfe haben möchte.
Nun haben wir schon fast April 2016. Das 24 Stunden Rennen von Daytona und das 12 Stunden Rennen von Sebring sind vorbei und in der WEC beginnen bereits die Testtage, bevor dann ende des Monats Saisonauftakt in Großbritannien ist. Das Jahr ist fortgeschritten und der ACO hat immernoch nicht entschieden, ob die Prototypen aus der IMSA-Meisterschaft mit eigenen Motoren in Le Mans antreten dürfen sollen, oder nicht.
Man möchte dem ACO hier die Schuld geben, denn sie wussten, dass die IMSA versuchen will, die Möglichkeit ihre Teams nach Le Mans zu schicken, aufrecht zu erhalten. Und da die LMP1 zu teuer ist, kann sie nur LMP2-Fahrzeuge um den Sieg kämpfen lassen. Die Hersteller (vor allem Ford und Chevrolet) wollen aber ihr Produkt vermarkten und fordern deshalb, dass die Fahrzeuge (verständlich) optisch ihre Produkte darstellen sollen.
Aber die höchste Priorität des ACO ist es, Le Mans und die Meisterschaft um das Rennen, die FIA WEC, zu stärken. Und diese muss die LMP2 so attraktiv wie möglich gestalten. Durch eine eingeschränkte Palette an Chassis und Motoren wird der Wettbewerb künstlich aufrecht erhalten; etwas, was in der gesamten Motorsportwelt passiert. Und was die LMP2 dringend braucht, denn auch in der WEC ist sie alles andere als dicht besiedelt.
Fans in Europa sind sauer, weil es die Diversität in Le Mans einschränkt, obwohl diese doch Sportwagenrennen ausmache. Fans in Amerika sind sauer, weil es die Prototypenklasse der USCC sabotiert. Aber der ACO weiß, was er tut und ich verstehe die Entscheidung. Nur wie kann man die Problematik lösen?
In meinen Augen macht es keinen Sinn, die LMP2 in Amerika zu etwas werden zu lassen, was sie nicht ist. So sehr es mir auch für die IMSA leid tut; sie sollte sich entweder der Asian Le Mans Series (AsLMS) und der European Le Mans Series (ELMS) anpassen und einfache LMP2-Prototypen um den Gesamtsieg kämpfen und den Herstellerkampf in den GT-Klassen stattfinden lassen; oder eine Prototypenklasse ins Leben rufen, die unabhängig von dem ist, was in Le Mans passiert.