Jeder hat dieses eine Mädchen. Ihr wisst schon, das mit den wahnsinns Augen. Die, in denen man sich über lange Zeit verlieren kann und es nicht wagt, auch nur annähernd so lange hineinzuschauen, weil man sonst komisch wirkt. Das Mädchen mit dem fesselnden Lächeln, dass einen paralysiert, sobald sie ihre magischen Lippen so bewegt, dass die Mundwinkel nach oben schauen. Das Mädchen mit der Stimme, der man so gerne zuhört, dass Stille manchmal wehtut.
Dieses Mädchen namens Johanna oder Jordis, dass für viele außerhalb ihrer Liga spielt. Auch für mich. Es geht hier bekanntlich nicht um Mädchen, es soll im Folgenden nur um eben dieses Gefühl handeln. Denn genau dieses Gefühl hatte ich letztens wieder. Nur stand kein Mädchen vor mir, sondern mein feuerroter Nissan Skyline 25GT-t. Ich konnte mir nicht verzeihen, dass ich schon wieder einen Kratzer ins Auto fuhr.
Also überlegte ich nicht zwei mal, als sich mir die Möglichkeit bot, den Wagen kurz aus der Garage fahren zu dürfen. Als ich also endlich wieder rechts einstieg und mich in die tiefen Sportsitze einschmiegte, überkam mich ein nostalgisches, merkwürdig vertrautes Gefühl. Ich empfand, dass ich nun eine offene Rechnung mit dem Auto habe. Ich muss ihn wieder fahren. Zu lang ist der 30. Dezember her, an dem ich ihn ins Parkhaus fuhr.
Ich frage mich oft, was dieses Auto über mich sagen würde, wenn es könnte. Ob es mich verstoßen würde oder ob es bei mir bleiben will. Aber ich spürte, wie es dem Wagen an Auslauf fehlte. Und ich weiß, ich spreche hier nonsense für viele, aber ich merkte auch, dass es dem Wagen an Vertrauen in mir fehlte. Ich habe bereits einige Kunststücke mit dem Auto vollbracht. Von Kreisverkehrdriften über Rundenzeitenfahren bis hin zum zügigen Stadtverkehr.
Aber wenn ich den Wagen nicht mehr fahren darf und schon bei einem einfachen Wenden in der Garage einen Betonpfeiler streife... Habe ich es überhaupt noch drauf? Will man überhaupt nachdenken, ob ich es je drauf hatte? Ich wusste, dass die Gelegenheit, ihn zu fahren, zu einer Zeit kommt, an der ich keine andere Wahl hatte, als sie zu nehmen. Dementsprechend hoch war mein Puls, als ich die Garagenausfahrt hinauf fuhr.
Der größte Unterschied beim Fahren zwischen dem Suzuki und dem Nissan ist, neben der Sitzposition und der schieren Kraft, die unterschiedlichen Pedalbelastungsgrenzen. Beim Suzuki ist die Kupplung butterweich und das Gaspedal schwer. Beim Nissan ist es genau andersherum. Aber es fühlte sich richtig an. Jeder Schaltvorgang, jedes Beschleunigen, jedes bremsen war wie ein Instrument in einem Orchestra, dass von mir dirigiert wird.
Der Wagen ist das berüchtigte Philharmoniker Assemblé der Welt und wartet auf Deinen Input. Da ich nicht viel Zeit hatte, konnte ich den Wagen nicht wirklich treten. Ich konnte ihn sowieso nur auf der Straße fahren. Wenn ich ihn also getourt habe, dann langsam. Aber er wollte mehr, das konnte man hören. Der Motor summte vor sich hin, leitete das Input direkt an die Räder weiter. Wie ich es vermisst habe, das in die Sitze gedrückt werden.
Eine Kurve. Traktionskontrolle blieb über die ganze Fahrt an. Ich wollte sie wieder Spüren, die G-Kräfte. Ich trat das Gaspedal zur Hälfte durch, mehr wollte ich garnicht. Der Wagen schmiss sich in die Haarnadel; ich fühlte mich wie ein BTCC-Fahrer. Dabei ging die TC-Leuchte nicht einmal an. Das Lenkrad ist klein und schwer, aber unglaublich präzise. Und mit schwer meine ich nicht einmal wirklich "physisch schwer", wie beim servolosen Suzuki beim Einparken, sondern schwer auf einer guten Art.
Schwer im Sinne von direkt und Präzise. Man konnte sich nicht "verlenken", jede Winkelbewegung brannte sich im Gehirn ein und gab Zeit zur Evaluierung. Die Front lenkte ein, das Heck kam nach, Das Gefühl, die Kraft vom Heck heraus zu spüren war unglaublich erfrischend und die Freude, die man dabei empfindet, grenzt an dem, was ein Mensch empfinden kann. Das traurigste ist, wie schnell ich mich daran gewöhnt hatte, als der Wagen noch mein einziger war.
Alles in allem war das Gefühl surreal. Wie flach der Wagen auf der Straße lag und wie geschmeidig und präzise sich alles anfühlte. Wenn ich auf der Gerade beschleunigte und die Welt plötzlich schneller an mir vorbei zog, als es der Suzuki je könnte, war es wie ein Streichen um ihren Körper. Es lässt einen alles Vergessen und jede Stufe des Bewusstseins mit dem Geschehen verschmelzen, dass man aus der Windschutzscheibe beobachtet.
Jede Kurve war wie ein Kuss und man empfand die selbe Nervosität. Hat man alles richtig gemacht? Ich brauche mehr Übung... Jeder gefahrene Meter ist wie eine Minute in ihrer Nähe. Vor allem wenn man realisiert, dass das alles andere als selbstverständlich ist. Und als ich den Wagen dann zurück in seinen Stellplatz brachte, wusste ich, dass die Fahrt durch italienische Bergpässe die ultimative Erfüllung für mich sein wird. Und dass ich es kaum erwarten kann.
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