Montag, 4. April 2016

Großer Motor, nichts dahinter? Der Amerikanische Sportwagen.


Ich hasse amerikanische Autos. Vor allem so große. Muscle Cars aus den 60ern und 70ern. Sie sind nichts weiter als übergroße Landyachten, die zwar große Motoren haben, aber technisch so rückständig sind, dass sie schon zu ihrer Zeit auf der Rennstrecke nichts rissen und nichts können, als gerade aus zu fahren.

Dass das meine Meinung sei, würde man meinen, als Fahrer eines aus Japan importierten Nissans mit einem drittel an Hubraum und Turbolader. Und hätte man mich noch vor ein paar Jahren gefragt, was ich über solche Autos denke, wäre meine Antwort vielleicht nicht viel anders gewesen. Aber je älter ich wurde, desto mehr habe ich begriffen, dass sie weit mehr sind, als zwei Tonnen Ölkrise auf Rädern.

Ich habe keinen Schimmer von Muscle Cars. Ich habe keinen Schimmer was das für ein Auto ist, da auf dem Bild. Nicht verwunderlich, denn als der Wagen vom Band rollte, waren meine Eltern wahrscheinlich jünger als ich heute. Und das muss ich auch nicht, denn was ich weiß ist, dass Muscle Cars die wohl charakterreichsten Fahrzeuge der Welt sind. Keine anderen Autos klingen so brachial oder sehen so spektakulär aus, weshalb sie auch über mehr Temperament verfügen, als kaum eine andere Kategorie an Autos. Auf der ganzen Welt. Aller Zeiten.

Sie sind ein Mittelfinger an den Alltag und an Uniformität. Das Gefühl, dass man hat, wenn man als non-Mucle Car-Fahrer an einem Muscle Car vorbei geht, ist ein komisches. Man fühlt sich nicht aufgeregt oder überrascht, zumindest nicht nur. Man fühlt sich eingeengt. Man fühlt sich gefangen zwischen hohen Gebäuden, Hemden und Kleinwagen. Und wenn man den Wagen ansieht, könnte man schwören, man sieht sich mit Sonnenbrille im T-Shirt die Route 66 gen Freiheit entlang rollen, bevor man realisiert, dass der Wagen nicht der eigene ist.

Der Grund für diese Wirkung auf uns ist der Einfachheit dieser Fahrzeuge geschuldet. Parkassistent und Traktionskontrolle? Muscle Cars haben nicht ein mal eine elektronische Motorsteuereinheit. Und ich denke genau hier liegt die Brillanz. Denn Sportwagen müssen keine guten Rennwagen sein. Und auch keine guten Alltagsfahrzeuge. Sportwagen müssen in aller erster Linie aufregend sein und das Fahren in den Vordergrund stellen. Das unterscheidet einen 90 PS Vierzylinder Porsche 356 von einem 290 PS Seat Leon.

Um ein Muscle Car schnell zu bewegen benötigt es Können. Um ein Muscle Car (vorallem in Ländern, in denen sie nie verkauft wurden) zu unterhalten, erfordert Hingabe. Genau deshalb wollen Mädchen auch Freunde mit "einem Auto wie das aus Supernatural", sie sollen aufregend, intelligent, cool und hingebungsvoll sein. Und was unterstreicht das mehr als ein Plymouth oder ein Pontiac? Ich fürchte kein Nissan.

Schlussendlich sind der Ford Gran Torino, der ab und zu in meiner Straße stand, und mein Nissan aber gar nicht so verschieden. Klar, die Autos selbst sind so unterschiedlich wie Tag und Nacht, aber beide Autos sorgen dafür, dass kleine Kinder "Guck mal Mama" rufen und ihre Kugelrunden Augen mit Begeisterung füllen. Beide haben lange Reisen hinter sich und kommen auf Orten mit anderen Kulturen und Sitten, anderen Straßen, anderen Städten. Und wenn ich nicht mit Paul Walker sondern mit Burt Reynolds aufgewachsen wäre, wer weiß, dann stünde jetzt vielleicht ein Trans-Am in meiner Garage.


Nun sind aber fast 60 Jahre seit Anbeginn der Muscle Car Era vergangen und der amerikanische Sportwagen definiert sich nicht mehr mit ihnen. Klar, wir haben da den Dodge Challenger, der genau so groß, laut und unsophistiziert ist wie sein Großvater. Aber jede der großen Marken verfügt nun über ein Entwicklungszenter auf dem Nürburgring. "Kann keine Kurven"? Die Dodge Viper ACR war auf insgesamt 13 Rennstrecken schneller als der Porsche 918.

"Unmodern"? Sogar im Camaro SS von der Stange befinden sich hochleistungsfähige Getriebe und andere modernste Technik, wie ein magnetisches und verstellbares Fahrwerk, was den Wagen für den halben Preis so schnell macht, wie etwa einen BMW M4. Und mit jeder Generation an Corvette wird der Wagen immer fortschrittlicher und schneller. Inzwischen ist sie ein fester Ferrari-Konkurrent. Und das Sportwagenspektrum geht noch weiter.

Mit den Vierzylinder-Turbos und den V6 Motoren gibt es Camaros und Mustangs auch in leicht, (noch) güstig(er) und agil. Damit sind diese Fahrzeuge genau so Konkurrenz für Mercedes und Jaguar wie für BMW und Nissan. Und mit dem Ford Focus RS betritt Ford sogar Subaru-Territorium. Erfolgreich. Wir merken also; egal wo die Priorität liegt - sei es Technik, Rundenzeiten, Ampelrennen, Aussehen, Gefühl oder Klang - die besten Sportwagen kommen aus Amerika.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen